Wie das Tanzparkett die Gewaltfreie Kommunikation bereichert

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Yan-Christoph Pelz hat auf vielfältige Art mit Kommunikation zu tun. Als Konferenzdolmetscher muss er nicht nur Wörter, sondern ganze kulturelle Zusammenhänge übersetzen. Diese Übersetzungsarbeit leistet er auch als Trainer und Coach, wenn er Gewaltfreie Kommunikation (GfK) nach Marshall B. Rosenberg in Konfliktsituationen anwendet.

Frage: Können Sie uns kurz erklären, was das Besondere an der Methode Gewaltfreie Kommunikation (GfK) nach Marshall B. Rosenberg ist, und worin die Übersetzungsarbeit besteht?

Yan-Christoph Pelz: Gewaltfreie Kommunikation ist mehr als eine Methode. Es ist eine Einstellung, eine Haltung zum Leben, mit dem Ideal, dass alle Bedürfnisse – unerfüllt wie erfüllt – Wertschätzung erfahren. Zentrales Ziel ist es, Konflikte friedlich zu lösen. Dreh- und Angelpunkt dabei ist es zu erkennen, dass hinter Konflikten unbefriedigte Bedürfnisse stehen. Die Übersetzungsarbeit besteht für mich als Coach darin, meinen Teilnehmenden im Prozess das, was unter der Oberfläche ist, zu öffnen.

Frage: Stichwort Konflikte. In welcher Art von Konflikten kann GfK denn Lösungen anbieten?

Yan-Christoph Pelz: Die Bandbreite reicht von privaten über berufliche Situationen bis hin zu politischen Verhandlungen und Diplomatie.

Frage: Das heißt, es geht bei der GfK darum Kompromisse zu finden?

Yan-Christoph Pelz: Nein, der Fokus ist ein ganz anderer. Beim Kompromiss macht jeder ein bisschen Abstriche, man einigt sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, ohne dass hinterfragt wird, warum der Einzelne bestimmte Forderungen hat. Da ist die Sicht auf die Welt: „Ich erfülle einen Teil Deiner Forderungen, wenn Du mir entgegen kommst.“

Bei der Gewaltfreien Kommunikation wollen wir herausfinden, was hinter einem Konflikt steckt. Immer, das ist eine Grundüberzeugung in der GfK, steckt dahinter nämlich ein unbefriedigtes Bedürfnis. Sobald wir das oder die Bedürfnisse der jeweiligen Parteien herausgearbeitet haben, sieht man oft schon die Lösungen wie hinter einem dünnen Schleier schimmern.

Frage: Was für ein Bedürfnis kann denn ein Staat haben?

Yan-Christoph Pelz: Hier sollten wir von Interessen oder Motivationen sprechen. Ein mit Waffen drohender Staat möchte vielleicht als gleichberechtigter Handelspartner angesehen werden, oder die gleichen Rechte haben wollen wie die Nachbarstaaten in der Region.

Frage: Lassen Sie uns einmal auf den privaten Bereich fokussieren. Können Sie beschreiben, wie GfK grundsätzlich abläuft.

Yan-Christoph Pelz: Hinter dem Prozess stehen klassischer Weise vier Schritte:

  1. Die Beobachtung: Hier fordere ich den Teilnehmenden auf, eine Konfliktsituation zu beschreiben, sie jedoch möglichst nicht zu kommentieren. Ich verwende dafür gern die Metapher des Standbilds beim Film.
  2. Im nächsten Schritt geht es darum, dass sich der Teilnehmende seine Gefühle bewusst vor Augen führt. Da höre ich dann Aussagen wie: „Diese Situation hat mich frustriert und gelähmt, so dass ich gar nicht weiter konnte.“
  3. Und dann kommt der Schritt, den ich manchmal mit „Heiteres Bedürfnis-Raten“ bezeichne. Er ist der wichtigste und gleichzeitig herausforderndste Punkt. Nicht jeder ist sich nämlich seiner Bedürfnisse bewusst. Schließlich ist das ja oft der Grund für Konflikte. Wenn der Prozess an dieser Stelle stockt, dann mache ich in der Regel Angebote. Was steckt denn hinter dem klassischen Konflikt, an der See oder in den Alpen Urlaub zu machen? Das kann in Bezug auf die See ein Ruhebedürfnis sein, aber vielleicht auch der Wunsch, an Kindheitserinnerungen anzuknüpfen. Als Coach versuche ich intuitiv mögliche Bedürfnisse anzubieten, wenn der Teilnehmende gar nicht weiter kommt.
  4. Haben wir das Bedürfnis zusammen herausgearbeitet, dann liegt die Lösung meist schon auf der Hand. Der Teilnehmende formuliert diese dann schließlich in einer Bitte. Dabei achte ich darauf, dass bei der Bitte nicht nur das Gegenüber bedacht wird, sondern auch die Bitte an sich selbst einbezogen wird. Sonst kann nämlich auch leicht eine Forderung an den Partner daraus werden.

Frage: Lassen Sie uns zu einer besonderen Form oder Weiterentwicklung der GfK kommen, dem GFK-Tanzparkett. Was steckt dahinter?

Yan-Christoph Pelz: Zunächst einmal handelt es sich um eine Visualisierung des GFK-Prozesses, bei dem ich bestimmte Karten auf den Fußboden lege und mit einem farbigen Band einen Rahmen erstelle. Da liegen dann unter anderem die vier Karten für Beobachtung, Gefühle, Bedürfnisse und Bitten. Der Klient geht nun in Bezug auf seinen Konflikt diese vier sowie weitere Wegmarken ab und konzentriert sich auf die jeweilige Aufgabe, die auf der Karte steht.

Dabei kommt es nicht darauf an, den Weg von Anfang bis Ende in einer bestimmten Reihenfolge zu gehen. Möchte ein Klient zunächst seine Gefühle äußern, geht er halt zunächst auf diese Wegmarke und dann wieder einen Schritt zurück. Aus dem Hin und Her und Vor und Zurück ist die Bildlichkeit des Tanzes entstanden.

Frage: Gibt es eigentlich ein festes Set an Tanzparketten?

Yan-Christoph Pelz: Ja und Nein. Bridget Belgrave und Gina Lawrie, die Erfinderinnen der Parkette, haben neun Tanzparkette mit bestimmten Schwerpunkten wie Ja/Nein-Tanz für innere Konflikte und 13-Schritte für die grundlegenden Fähigkeiten in der GfK ausgearbeitet. Aber Trainer haben oft aus ihren eigenen Erfahrungen und Arbeitsschwerpunkten spezifische eigene Tanzparkette entwickelt. Ich habe da zum Beispiel zu den Themen "Schuld", "Scham" und "Wertschätzung" Parkette entworfen.

Frage: Wenn ich mir das Einführungsvideo Tanzparkette von Bridget Belgrave und Gina Lawrie ansehe, so fallen dort immer wieder die Aussagen von Teilnehmenden und Coaches, dass sie die Klarheit daran sehr schätzen.

Yan-Christoph Pelz: Ja, absolut. Die physische Orientierung im Prozess ist ein großartiges Moment dabei. Es ist dieses simple Bild: der Rahmen und die Schritte. Man weiß genau, wo man steht und wo man hin möchte.

Aber es kommt noch ein weiteres Element dazu, was das Ganze so magisch macht: Wenn die Klienten die einzelnen Karten betreten, entstehen plötzlich Gefühle und Erkenntnisse wie aus dem Nichts. – Wir kennen diesen Vorgang auch aus den Familienaufstellungen, wo wildfremde Personen, die vom Aufstellenden als Stellvertreter, z.B. als Mutter, gesetzt wurden, eben die Gefühle der Mutter widerspiegeln. Und beim Tanzparkett scheint diese magische Wirkung von den Karten auszugehen.

Noch anders ausgedrückt: das Tanzparkett erlaubt Lernen und Erfahrungen mit allen Sinnen.

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