Schwäbische Alb - Weltkultursprung und Biosphärengebiet

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Die Schwäbische Alb galt wegen der eingeschränkten landwirtschaftlichen Möglichkeiten viele Jahrhunderte lang als Armenhaus Württembergs. Zwar hat sich seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert viel getan, insbesondere setzt man hier seit mehr als einem Jahrzehnt auf sanften Tourismus. Doch unter den Top 10 der Urlaubsdestinationen findet sich der Landstrich nicht. Dabei kann die Schwäbische Alb mit nichts Geringerem als dem „Weltkultursprung“ aufwarten.

Das im Lied „Auf der schwäbsche Eisebahn“ transportierte Bild des hinterwäldlerischen Bauern steckt offenbar immer noch in vielen Köpfen. Denn bis ins späte 20. Jahrhundert galt die Schwäbische Alb als wirtschaftlich wenig entwickelter Teil Deutschlands. Seit einiger Zeit wird nun aber aus der Not eine Tugend gemacht und damit gearbeitet, was vorhanden ist: artenreiche Natur und die Wiege der europäischen Kultur. Gerade letzterer Pfrund wird seit einigen Jahren mit der Wortschöpfung „Weltkultursprung“ vermarktet.

Der Weltkultursprung markiert den zentralen Entwicklungssprung in der Menschheitsgeschichte vor etwa 40.000 Jahren, bei der der Mensch neben der rein funktionellen Werkzeugherstellung nun Gegenstände schafft, die Selbstausdruck sind oder die Ritualen und Kulten dienen. Die auf der Schwäbischen Alb gefundene „Venus vom Hohle Fels“ oder auch Flöten aus Mammut-Elfenbein legen davon Zeugnis ab, wie sich beim Jäger und Sammler Bewusstsein und menschliches Denken ausprägten und sich der neue Menschentypus Homo sapiens intellectus entwickelte.

Mit Funden in Afrika und Frankreich auf einer Stufe zählen die Höhlen am Südrand der Schwäbischen Alb zu den wichtigsten altsteinzeitlichen Fundstellen der Welt. Wegen ihrer herausragenden Bedeutung wurden sie 2017 als UNESCO-Weltkulturerbe ausgezeichnet. Hier lebten der Neandertaler und in Folge der frühe moderne Mensch. Hier entwickelte er nicht nur neue Werkzeugtechniken, sondern schuf Tier- und Menschenfiguren, Schmuck und Musikinstrumente aus Mammut-Elfenbein.

Erster Anlaufpunkt, um den Weltkultursprung zu erforschen, ist sicherlich das 1965 gegründete und 2014 neukonzipierte urgeschichtliche Museum Blaubeuren (urmu). Denn das urmu zeigt nicht nur die Altsteinzeit in Württemberg, sondern die Entwicklung des modernen Menschen für den europäischen Raum auf.

Schließlich laden verschiedene Höhlen ein, die Markpunkte der über 40.000-jährigen Geschichte zu erkunden. Ein Teil der Höhlen ist begehbar, wobei sich in Laichingen mit 55 Metern Tiefe die tiefste begehbare Schauhöhle Deutschlands befindet. Mehr noch: Nicht nur die Urgeschichte, sondern auch die Geologie ist hier Thema. Denn keine andere Höhle zeigt die Verkarstung der Alb, die Stockwerksbildungen und den Gesteinsaufbau des Massenkalks eindrucksvoller.

„Viel Steine gab’s und wenig Brot“

Gesiedelt wurde auf der Schwäbischen Alb also schon seit vielen Jahrtausenden. Doch als aus Jägern und Sammlern schließlich sesshafte Menschen wurden und die Landwirtschaft zum Lebensmittelpunkt wurde, stellte sich die Gegend als weniger geeignet dar. Und dieses Manko blieb bis in die jüngste Gegenwart bestehen.

In einer Beschreibung des Ortes Münsingen von 1825 werden die Menschen in dieser Region der Schwäbischen Alb als eher blass und minder kräftig beschrieben. Eine im Vergleich mit anderen Regionen hohe Kindersterblichkeit zeichnete sich für die Alb ab. Selbst für die damalige Zeit galt die Lebensweise als „höchst einfach“. Es gab Kartoffeln, Milch und Mehlspeisen, besonders der „Haberbrey“ wurde hervorgehoben. Fleisch, Wein und Bier würden selten genossen, eher neige man zum Branntwein.

Neben Katholiken und Evangelischen fanden sich auffällig viele Pietisten, über die es hieß: „Der ernste, düstre Charakter der äußern Natur, und die vielen Entbehrungen, Nöthen und Übel, welche dieser Himmelsstrich mit sich bringt, scheinen das Gemüth mehr zum Übersinnlichen, zu religiösen Tröstungen hinzuziehen.“ So blieb es viele Jahrhunderte.

Die Entbehrungen und Nöte, die der Bericht lapidar erwähnt, sind auf die mageren Böden zurückzuführen. Der karstige Untergrund der schwäbischen Albhochfläche ist nur mit einer dünnen Humusschicht überzogen, wodurch Pflügen nahezu unmöglich wird. Regenwasser kann vom mageren Boden nicht gehalten werden, sondern verbindet sich mit dem Kohlendioxid der Luft zu Kohlensäure. Diese sorgt dafür, dass das Kalkgestein zunehmend gelöst wird. So entstehen Ritzen, Klüfte, Spalten und Höhlen. Für die Landwirtschaft bleiben karge Böden, die sich nur für wenige Früchte eignen.

Weil Landwirtschaft auf der Schwäbischen Alb nur eingeschränkt möglich war, blieben Handwerk und Heimarbeit für lange Zeit nahezu die einzigen Erwerbsmöglichkeiten. Ein großer Arbeitgeber auf der Schwäbischen Alb war seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert das heute noch durch seine Stofftiere weltbekannte Unternehmen Steiff, das 1874 ursprünglich aus einem Filzkonfektionsgeschäft entstand. Rund 30 Jahre nach der Gründung waren bereits 400 Mitarbeiter und 1.800 Heimarbeiter aus der Region für das Unternehmen im schwäbischen Giengen tätig.


Juni auf der Alb: ein Fest für die Sinne

Was für die Menschen auf der Schwäbischen Alb ein Fluch war, war und ist für die Natur ein Segen. Denn die kargen Böden haben eine große Artenvielfalt in Flora und Fauna hervorgebracht. Auf den Albhochflächen haben Biologen bis zu 80 Gräser- und Blumenarten pro Quadratmeter Wiese gezählt. Darunter sind Gold- und Silberdistel, Wiesensalbei, Thymian, gelber Alpenwundklee, Wildorchideen, Hummelragwurz und Traubensteinbrech, der als vielleicht ältester Vertreter aus der letzten Eiszeit gelten kann.

In den Wacholderbüschen, die eine spezielle Heidelandschaft auf der Schwäbischen Alb prägen, kann man Goldammern sehen, die sich nicht nur durch ihr goldgelbes Gefieder gut abheben, sondern außerhalb der Brutzeit oft in Gruppen an Nahrungsplätzen zu finden. Eine Vielfalt an Vögeln und Schmetterlingen schwirrt durch die Luft.

Wer im Juni die Schwäbische Alb bereist, erlebt ein für alle Sinne besonders prächtiges Naturschauspiel. Es duftet und die Wiesen erblühen in einer ungeahnten Farbenpracht. Das zieht auch alle möglichen Insekten an. Spezialisierte Schmetterlingsarten wie Bläulinge oder schwarzrote Widderchen finden sich hier, weil sie – fernab der Folgen von Intensivlandschaft – noch ihre ureigenen Wirtspflanzen vorfinden.

Begleitet wird die Riech- und Augenfreude durch ein vielstimmiges Konzert summender Bienen, brummender Hummeln, zirpender Zikaden und trillernder Feldlerchen. Wer bislang für romantische Dichtung nicht viel übrig hatte, wird an einem solchen Tag erleben können, was der frühromantische Dichter Novalis in seinem Gedicht „Es färbte sich die Wiese grün“ formulierte:

Es färbte sich die Wiese grün
Und um die Hecken sah ich blühn,
Tagtäglich sah ich neue Kräuter,
Mild war die Luft, der Himmel heiter.
Ich wußte nicht, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.


Biosphärengebiet Schwäbische Alb

Zwar sorgte der späte Eisenbahnbau, der auf der Schwäbischen Alb erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts erfolgte, mittelbar und unmittelbar für mehr Arbeitsplätze. Doch blieb die Region auch im 20. Jahrhundert weiterhin lange im Schatten Stuttgarts. Die beiden bekannten Naturschützer Michael Succow und Markus Rösler hatten 1991 die Idee, die Schwäbische Alb zu einem Biosphärengebiet zu gestalten. Die Grundlagen und Vorarbeiten wurden dann schließlich durch die Doktorarbeit Markus Röslers gelegt, der bereits im Titel das wesentliche Ziel beschrieb: „Arbeitsplätze durch Naturschutz am Beispiel der Biosphärenreservate und der Modellregion Mittlere Schwäbische Alb“.

Heute umfasst das Biosphärengebiet Schwäbische Alb 85.270 Hektar und damit weite Teile der Mittleren Schwäbischen Alb und ihres Vorlandes. 2008 als Biosphärengebiet des Landes Baden-Württemberg eingerichtet, erfuhr es im Mai 2009 die Anerkennung durch die UNESCO.

Durch Förderprogramme und Beteiligungsverfahren hatten die Kommunen positive Erfahrungen sammeln können. So konnte durch die Partizipation erreicht werden, dass gerade Verordnungen und Abgrenzungen einmütig geschahen und dass alle Teilnehmenden von Anfang an anstrebten, ein Biosphärengebiet auf Grundlage der (schärferen) UNESCO-Kriterien zu entwickeln.

Weil die Region mit ihren Karstformationen ohnehin eine Besonderheit darstellt und viele Akteure sich engagierten, erhielt die Schwäbische Alb zudem das Prädikat „UNESCO Global Geopark“. 2012 stellten schließlich die rund 200 Akteure des Biosphärengebiets Schwäbische Alb ein Rahmenkonzept vor, das Ziele, Maßnahmen und Projekte zur Entwicklung des Gebiets in den nächsten zehn Jahren beinhaltet.

Mit dem zunehmenden Bekanntheitsgrad der Region wächst nun auch langsam der Tourismusdruck. Hier sind Konzepte gefragt, wie Tourismus gestaltet werden kann, der die vorhandene Natur-Schätze schützt und gleichzeitig den Besuchenden eindrückliche Naturerlebnisse ermöglicht. So stellte sich auch die Frage: Wenn Tourismus nicht die einzige Einnahmequelle bleiben soll, wie lässt sich auf mageren Böden eine nachhaltige Landwirtschaft betreiben? Einige Ansätze der Vermarktung regionaler Produkte wie Linsen gibt es bereits und ein neues Selbstbewusstsein hat die Region ohnehin schon erfasst. Im Fahrwasser des „Wir können alles. Außer Hochdeutsch“ wird der Weltkultursprung in einem Videoclip mit Augenzwinkern so beworben:

"Die chinesische Mauer – zweifellos eine der beeindruckendsten Zeugnisse der menschlichen Schaffenskraft des Altertums. Beeindruckend? Ja. Wirklich alt? Nein. (...) Unglaubliche 37.000 Jahre vor dem chinesischen Mauerbau waren die Menschen im Süden Deutschlands bereits Künstler."

Unser aktuelles Angebot auf der Schwäbischen Alb
(in der Seminarunterkunft Kloster Obermarchtal, siehe Foto)