Bio-Musterregion Freiburg und Breisgau: zukunftsfähig und nachhaltig

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Seit vielen Jahren werden im ländlichen Raum Abwanderungen und mangelnde Zukunftsfähigkeit beklagt. Mit Öko-Modellregionen will man nun im Breisgau und anderen Regionen gegensteuern.

Bayern und Hessen haben sie schon. Nun legt die grün-schwarze Regierung in Baden-Württemberg seit 2018 nach: Öko-Modellregionen. Im Ländle will man bis 2030 die ökologische Landwirtschaft auf 30 Prozent Anteil steigern. Denn längst ist klar, dass die Förderung dieser Wirtschaftsweise ein zentraler Hebel ist, um eine Vielzahl von Zielen zu verwirklichen:

  • ländlichen Raum für Menschen zukunftsfähig gestalten
  • Lebensqualität steigern
  • regionale Wertschöpfung verbessern
  • nachhaltige Landwirtschaft entwickeln
  • Trinkwasserqualität sichern
  • CO2-Ausstoß verringern
  • Biodiversität erhalten

Vier Bio-Musterregionen sind zunächst in Baden-Württemberg Anfang 2018 entstanden, fünf weitere kamen seit Ende 2018 in verschiedenen Landesteilen dazu. Dabei hat jede Region ihre eigenen Herausforderungen und kann deswegen auch eigene Schwerpunkte setzen.

Partizipation statt Fürsorge

Vom Landwirtschaftsministerium wird für drei Jahre ein Zuschuss für eine Koordinationsstelle bezahlt. Hauptaufgabe ist es, mit den Akteuren vor Ort gemeinsam Ideen zu entwickeln, Projekte zu initiieren und Kooperationen zu schmieden. Im Fokus ist vor allem die kleinbäuerliche Landwirtschaft, die bei der derzeitigen EU-Agrarpolitik stark vernachlässigt wird. Doch nicht allein die Landwirtschaft, sondern auch regionale weiterverarbeitende Unternehmen und natürlich Verbraucher*innen profitieren von der Förderung. Unter dem Strich wird der ländliche Raum gestärkt und aktiver Umwelt- und Ressourcenschutz betrieben.

Um in den Genuss der Förderung zu kommen, mussten sich Regionen mit Konzepten bewerben. Ein Gremium bestehend aus Vertreterinnen und Vertreter der Politik und Verwaltung, der Bauernverbände, Öko-Verbände sowie Tier- und Naturschutzverbände hatte über die Bewerbungen zu entscheiden.

Mit diesem partizipativem Konzept hatte die Politik im Vorfeld bereits auf eine breite Basis gebaut, um einerseits alle Beteiligten im Boot zu haben und andererseits auf dem kurzen Dienstweg mögliche Fallstricke auszuräumen. Auch dieser Politikstil findet weithin Anerkennung.

Musterregion Freiburg: Verbesserung von Logistik und Verbraucherbildung

In der Musterregion Emmendingen/Breisgau-Hochschwarzwald /Freiburg (kurz „Musterregion Freiburg“) ist man sich einig, dass hier vor allem die Nachfrage nach Öko-Produkten gesteigert werden solle. Einerseits müssten hier leistungsfähige Vermarktungs- und Logistikstrukturen aufgebaut werden. Andererseits brauche es auch Maßnahmen zur Verbraucher­bildung. So sieht auch die Freiburger Umweltbürgermeisterin Gerda Stuchlik als Schlüssel die Überwindung der Entfremdung zwischen Stadt und Land sowie auch zwischen Erzeugenden und Verbraucherinnen und Verbrauchern.

Im Kaufverhalten sehen die Landwirtinnen und Landwirte, die in der Bürgerinitiative „Pro Landwirtschaft und Wald in Freiburg Dietenbach & Regio“ vereint sind, ein Problem: Wenn Verbraucherinnen und Verbraucher letztendlich immer wieder zum günstigeren Produkt greifen und nicht die regionalen Produkte vorziehen, sei die Umstellung auf die ökologische Landwirtschaft für die Erzeugerseite nicht ökonomisch. Man sei nicht grundsätzlich gegen Öko-Landwirtschaft, doch die Umstellung müsse EU-weit kommen und vom Handel müssten gleichzeitig auch faire Preise für die erzeugten Produkte gezahlt werden.

Gute Ausgangsposition und Hindernisse

Dabei liegt die Modellregion Freiburg zwei Prozent über dem Landesdurchschnitt: 13 Prozent der Betriebe bewirtschaften hier bereits 16 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche ökologisch. Und mit 20 Prozent Wachstum beim ökologischen Landbau im Jahr 2018 ist Baden-Württemberg im Bundesländervergleich mit an der Spitze.

Das Regionalmanagement soll nun dafür sorgen, dass der Austausch zwischen landwirtschaftlichen Betrieben, handwerklichen Verarbeitenden, Bildung, Forschung, Umweltschutz, Ernährungsrat und der regionalen Politik kontinuierlich fortgesetzt wird, damit mögliche Problematiken früh erkannt und auch schnellst möglich beseitigt werden könnten.

In der Konzeptionsphase für die Modellregion Freiburg wurden die Handlungsschwerpunkte der kommenden drei Jahre herausgearbeitet:

  • Bei der Vermarktung der Bio-Produkte will man sich auf den Hebel Gemeinschaftsverpflegung, Kindertagesstätten, Kantinen und Mensen konzentrieren.
  • Beim Thema Verbraucherbildung stehen Ernährungsbildung und die Umweltleistungen der Landwirtschaft, wie zum Beispiel die CO2-Speicherung, im Vordergrund.
  • Grundidee aller Maßnahmen ist eine gute und produktive Stadt-Land-Partnerschaft.

Allerdings sieht der Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau (AÖL), Christian Eichert, trotz großer Anerkennung für die Bio-Musterregionen durchaus noch Luft nach oben. Grundsätzlich sei die Musterregion ein geeigneter Ansatz, um die ökologische Land- und Ernährungswirtschaft zielgerichtet zu stärken. Doch aus den Erfahrungen der Projekte in Bayern und Hessen hält der AÖL-Geschäftsführer die Begrenzung der Modellprojekte auf drei Jahre für zu kurz. Für das Regionalmanagement bedeute das häufig, dass sie sich aufgrund der kurz bemessenen Laufzeit bereits nach wenigen Monaten nach einer Folgebeschäftigung umsähen. Auch seien die finanziellen Mittel für die Musterregionen sehr knapp bemessen.

Einen weiteren Kritikpunkt der konventionellen Landwirtinnen und Landwirte aus der Initiative „Pro Landwirtschaft und Wald in Freiburg Dietenbach & Regio“ kann Eichert durchaus nachvollziehen. Wenn der Umbau auf den ökologischen Landbau klappen solle, müsse es auch eine Verlässlichkeit bei den Ausgleichs­zahlungen für Landwirtinnen und Landwirte während der gesamten Förderperiode geben.

Auch bei der beruflichen Weiterbildung legt er den Finger in die Wunde: denn die Berufsschulen seien heute nicht oder nur unzureichend auf das Thema ökologischer Landbau vorbereitet.

Modellregion ein Lernmodell

Trotz aller berechtigten Kritik an einzelnen Punkten der Ausgestaltung bleibt unter dem Strich: Generell ist das Konzept der Modellregion aufgrund seines partizipativen Charakters gegenüber dem herkömmlichen Politikstil von Fürsorge und Verordnung im Vorteil. Es ist regional verankert und arbeitet bewusst kleinräumig an und mit den jeweiligen Herausforderungen vor Ort. Für eine zukunftsfähige Politik in Deutschland und Europa ist dies ein ambitionierter und wegweisender Ansatz.

Folgende Seminare des LIW beschäftigen sich mit dem Thema