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Warum Klimakompensationsprogramme sinnvoll sind

Ablasshandel oder Chance? Die Möglichkeit, für klimaschädliche Emissionen wie z.B. Flugreisen freiwillig einen Ausgleich zu zahlen, wird zusehends bekannter. Doch solche Kompensationsprogramme sind höchst umstritten. Es lohnt ein genauer Blick auf die Rahmenbedingungen.

Einfaches Prinzip

Egal welcher Anbieter, das Prinzip ist immer gleich:

1. Die klimaschädigenden Emissionen (z.B. einer Fluganreise) werden berechnet

2. Der Kunde zahlt daraufhin eine entsprechende Klima-Abgabe

3. Das Geld fließt in ein Umweltentwicklungsprojekt

Das macht doch keiner freiwillig?!

Viele wissen, dass unser derzeitiger Lebensstandard oft einen hohen CO2-Ausstoß zur Folge hat. Doch der Aufwand, etwa eine Tonne CO2 persönlich einzusparen – zum Beispiel durch Verzicht auf 8.000 Kilometer Autofahrt – steht oft im Widerspruch zur Machbarkeit in der jeweiligen Lebenssituation. So ist die Kompensation ein leichter gangbarer Weg. Mit 250 € im Jahr bei gleichzeitig hoher Kompensationsqualität liegt die persönliche Beteiligung in einem sehr überschaubaren Rahmen. Das Gleiche gilt für die Kompensationskosten bei einer Flugreise.

Anforderungen an Kompensationsprogramme

Der Markt der Kompensationsprogramme ist mittlerweile breitgefächert. Weil ein allgemeingültiges Siegel fehlt, gibt es auch unterschiedliche Standards bei den Programmen. Diese Kriterien helfen, seriöse Anbieter zu erkennen:

  • Einnahmeverwendung zum Ankauf von Emissionszertifikaten (CO2-Mengen)
  • Emissionsberechnung nach Stand der Wissenschaft
  • Finanzierung von zusätzlichen und dauerhaften Emissionsminderungen
  • detaillierte Offenlegung aller Informationen
  • Kompensationsprojekte, die nach dem „Gold Standard“ zertifiziert sind
    (d.h. sie müssen neben der Vermeidung von CO2 auch zur nachhaltigen ökologischen Entwicklung vor Ort beitragen und die sozialen Belange der Bevölkerung unterstützen.)

Diese Kriterien werden z.B. von myclimate.org oder atmosfair.de erfüllt.

LIW nutzt Atmosfair

Als Anbieter von Bildungsangeboten, die immer mit Reisen verbunden sind, empfiehlt das LIW seinen Teilnehmenden, ihre Anreise CO2-kompensiert zu gestalten. Dazu zwei Beispiele: Um einen Flug von Frankfurt nach Mallorca zu kompensieren, müssen 17 €, für einen Flug auf die Kanaren 24 € aufgewendet werden.

Außerdem hat das LIW die CO2-Emissionen, die im Rahmen seiner Seminare vor Ort entstehen, von der gemeinnützigen GmbH atmosfair ermitteln lassen. Die emittierte CO2-Menge wird nun an anderer Stelle auf der Welt durch ein zusätzliches Projekt, das nur durch die atmosfair-Abgabe ermöglicht wird, eingespart. Praktisch funktioniert das zum Beispiel durch ein Solarprojekt, bei dem in einem indischen Dorf der bisher verwendete Dieselgenerator durch eine moderne Solarstromanlage ersetzt wird.

Zahlen und Fakten

  • Jeder Bundesbürger verbraucht im Mittel etwa 11 Tonnen CO2-Äquivalente im Jahr.
  • 2016 wurden in Deutschland 909 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente verbraucht.
  • Das Ziel der Bundesregierung war es, bis 2020 den Ausstoß auf 751 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente zu senken.
  • Bis 2050 ist rein theoretisch eine klimaneutrale Bundesrepublik möglich.

Aktuell bleibt der Klimaschutz weit hinter den Ankündigungen durch die Politik zurück. Selbst Deutschland, das lange als Musterknabe galt, wird die selbst gesetzten Ziele, bis zum Jahr 2020 40 % CO2 gegenüber 1990 zu vermeiden, wohl weit verfehlen. Mit Glück, so heißt es 2018 in den Medien, werde man 32 % einsparen. Die aktuelle US-Regierung ist sogar aus dem Klimaschutzabkommen ausgestiegen. Dabei hätten gerade die führenden Industrienationen Grund und mehr als eine moralische Verpflichtung, ihre Emissionen drastisch zu reduzieren. Denn diese sind - obwohl hinsichtlich der Einwohnerzahl deutlich in der Minderheit - für den größten Teil der klimaschädigenden CO2-Emissionen verantwortlich.

Kompensation versus Vermeidung

Kritiker betonen, dass durch ein Kompensationsprogramm die Schädigung vor Ort – zum Beispiel beim Fliegen – nicht verhindert wird, wenn andernorts ein klimaschädigendes Verfahren durch eine ökologischere Alternative ersetzt wird. So werden bei der Kompensation Faktoren wie Lärm, Flächenverbrauch u.a. ganz außer Acht gelassen. Angeführt wird auch, dass sich die industrialisierten Länder damit freikaufen und ihren Lebensstil nicht nachhaltig ändern.

Angesichts der medial immer wieder verbreiteten Kritik an Kompensationsprogrammen wurde im Rahmen einer Masterarbeit und in Zusammenarbeit mit dem Umweltbundesamt 2014 eine Befragung zum Thema freiwillige Kompensation bei umweltinteressierten und umweltengagierten Personen durchgeführt. Von 566 befragten Personen hatten rund 40 % bereits kompensiert, weitere 47 % konnten sich das für die Zukunft vorstellen. Lediglich 13 % argumentierten, dass diese Handlungsoption für sie nicht in Frage käme. Auch wenn die befragte Gruppe der Umwelt­interessierten nicht auf die Gesamtbevölkerung übertragbar ist, so haben die praktischen Erfahrungen der Aktiven mittelfristig Einfluss auf die Bevölkerung.

4,4 Mio. Tonnen CO2 seien 2013 laut Umweltbundesamt durch freiwillige Kompensationen eingespart worden. Gemessen an einem Gesamtausstoß in Deutschland von 835 Mio. Tonnen CO2 (bzw. 942 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente) hört sich das wie ein Tropfen auf den heißen Stein an. Doch auch hier hilft ein Blick auf den Gesamtrahmen. Ziel bis 2020 waren ursprünglich 751 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente.

Die Energiewirtschaft, mit mehr als 330 Mio. Tonnen größter Verursacher von CO2 hat beispielsweise von 2015 auf 2016 unter dem Strich auch nur 4,6 Mio. Tonnen eingespart. Das heißt, die freiwilligen Kompensationen sind schon jetzt gemessen an der No- oder Low-Budget-Vermarktung ein großer Erfolg. Diese Auffassung vertritt auch das Umweltbundesamt in der Studie "Freiwillige Kompensationszahlungen und nachhaltige Lebensstile: Passt das zusammen?“ von 2015:

"Während der Verpflichtungsmarkt sich zum Teil schwierigen Marktbedingungen ausgesetzt sieht, hat sich der Markt für freiwillige Kompensationen in den letzten Jahren dynamisch weiterentwickelt und ausdifferenziert. Freiwillige Treibhauskompensation kann als weiteres Klimaschutzinstrument maßgeblich zur effizienten Vermeidung von Emissionen beitragen, ohne dass dies gegenüber dem Verpflichtungsmarkt notwendiger Weise mit Qualitätseinbußen einhergehen muss."

Und noch einen weiteren Effekt haben Kompensationsprogramme: in der Regel findet mit der Kompensation ein Technologietransfer von Industrieländern in Entwicklungsländer statt. Somit können dort nachhaltige Entwicklungen in Gang gesetzt werden.

Fazit

Vermeiden – verringern – kompensieren!
Für einen gelingenden Klimaschutz sollten tiefgreifende politische Maßnahmen zur Vermeidung und Reduzierung klimaschädlicher Emissionen sicherlich an erster Stelle stehen. Darüber hinaus bieten Kompensationsprojekte Unternehmen und Privatpersonen aber die Möglichkeit, einen ergänzender Beitrag zu leisten. Dabei findet auch eine Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung statt. Durch eine Zuschreibung eines Geldwertes können Verbraucher und Unternehmen für die Produkte und Aktivitäten sensibilisiert werden, die eine hohe Klimaschädlichkeit aufweisen.

Bildquelle: Pixabay