Mach dir (k) ein Bild: Frauen in der beruflichen Weiterbildung

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Was dürfen Frauen in beruflichen Weiterbildungsangeboten erwarten? Und von was wiederum gehen Anbieter aus, wenn sie frauenspezifische Angebote kreieren?

Nie zuvor waren Frauen so sichtbar und (vordergründig) auch so erfolgreich wie heute: Bildungsabschlüsse und Erwerbsquoten sind gestiegen, auch hat sich die Zahl weiblicher Führungskräfte leicht erhöht. Die deutsche und europäische Gesetzesgrundlage scheint die Etablierung der von den Frauenbewegungen geforderten Gleichberechtigung von Mann und Frau juristisch zu untermauern. Doch hinter dem Bild veränderter sozialer und ökonomischer Hierarchien treten alte Muster zu Tage: So bekommen Frauen im Durchschnitt für vergleichbare Arbeit immer noch weniger Geld als Männer. Frauen übernehmen den Großteil der unbezahlten Haus-, Erziehungs- und Pflegearbeiten. Frauen sind oder fühlen sich für diverse Aufgaben im privaten und/oder beruflichen Kontext zuständig, auch wenn formal oder in verbal kommunizierten Bekundungen andere Bewusstseinszustände oder Einstellungen transportiert werden.

Auch ziehen Frauen in beruflichen Kommunikationskontexten oft den Kürzeren: Sie reden weniger, sie werden nicht immer ernst genommen, sie setzen sich in Verhandlungen nur eingeschränkt durch und Führungspositionen werden anderweitig vergeben. Fast alle Kommunikationstrainings sind auf die „typisch männlichen“ Kommunikationsschwächen ausgerichtet: aktives Zuhören, empathisches Paraphrasieren, appellfreie Ich-Botschaften etc. Die meisten Frauen haben diese Fähigkeiten mit der Muttermilch aufgesogen.

Bildungsformate für Frauen

Schon vor fünf Jahren hat mehr als die Hälfte der erwerbstätigen Frauen und Männer im Alter zwischen 18 und 65 Jahren an einer Weiterbildung teilgenommen; Tendenz weiter steigend. Allerdings setzen laut der Umfrage „Talents & Trends“ der Karriereberatung „von Rundstedt“ Frauen deutlich mehr auf Weiterbildung als Männer. Eine Studie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung stützt diese Untersuchung. Doch die Motivation sowie die zugrundeliegende Einstellung scheinen durchaus Unterschiede zu kennen: Frauen wird ein höheres Interesse nicht nur hinsichtlich der fachlichen, sondern auch an der persönlichen Weiterentwicklung nachgesagt. Das zugrundeliegende Selbstverständnis scheint eine höhere intrinsische Motivation bereitzuhalten. Gleichzeitig ist es genau diese Sicht auf sich selbst, die schnell die innewohnende Kritikerin auf den Plan ruft: Immer noch nicht gut genug sein, immer noch ein bisschen an sich arbeiten können und dieses auch mit ganzem Einsatz verfolgen.

Die Verfolgung dessen, was gemeinhin notwendig ist und die Zurückstellung der eigenen Bedürfnisse dürfte vielen Frauen bekannt vorkommen. Daher geht die professionelle Weiterbildungswelt im besten Fall nicht von bildhaften Kategorien hinsichtlich “der Frau” aus, sondern (an-) erkennt, dass es vielfältige weibliche Identitäten und bunte Lebenswelten gibt. Diese jedoch weisen bei aller Unterschiedlichkeit und Unwiederholbarkeit zentrale Gemeinsamkeiten bzw. Ähnlichkeiten auf: Typische frauenspezifische Hürden wie Doppelt- oder Mehrfachbelastung durch Berufstätigkeit und familiäre Verpflichtungen mit den daraus resultierenden persönlichen Folgen oder auch innere und äußere Rollenkonflikte durch ein “untypisches Verhalten” bzw. “unübliche Lebenswünsche- und Formen“. Spezifische Angebote für Frauen nehmen Frauen in ihrer Einzigartigkeit als Persönlichkeit und gleichzeitig in der Anerkennung von bestehenden Realitäten wahr und ernst.

Wie äußern sich diese frauenspezifischen Hürden konkret?

Ein großer Stressauslöser für Frauen sind (emotionale) Konflikte. Angst entsteht. Angst, nicht (mehr) „geliebt“, gemocht zu werden, wenn Grenzen gesetzt werden, Erwartungen nicht erfüllt, klar gesagt wird, was man denkt und vor allem: dementsprechend handelt. Und führen wir uns eines vor Augen: Diese Ängste sind ja nicht unbegründet. Souveränität im Handeln und auch körpersprachliche Eindeutigkeit verschaffen Respekt. Ein Respekt, der für Männer im besten Sinne in der Regel resonanzlos bleibt. Für Frauen sind die Folgen nicht selten das Aushalten von unangenehmen Gefühlen wie offene oder verdeckte Ablehnung, ein beabsichtigtes Unverständnis und Missgunst oder auch ein schlechtes Gewissen, weil Frau sich nicht „erwartungs- und rollenkonform“ verhalten hat.

Männer lassen im Gegensatz zu Frauen Unangenehmes, Unbequemes und Überforderndes eher an sich abprallen. Sie setzen unbewusst Grenzen, indem sie sich dann einfach „ausklinken“. Frauen nehmen anders wahr und machen sich viel mehr Gedanken: „Darf ich das, was passiert wenn, die anderen machen ja auch“. Frauen wollen verstanden werden und haben ein Problem, wenn sie das Verhalten der anderen nicht verstehen. Sie wollen, dass Kolleg*innen, Mitarbeiter*innen und Vorgesetzte nett mit ihnen umgehen, sich um sie kümmern, so wie sie sich ja auch um die anderen kümmern. Und sie sind bereit, einiges dafür zu tun: Sie nehmen sich selbst zurück. Frauen halten es in der Regel schlechter aus, wenn andere vermeintlich schlecht über sie denken. Sie sind leichter zu verunsichern und stehen nicht konsequent zu sich.

Die zentralen Herausforderungen:

1. Mangelndes Selbstvertrauen

"Ach nein, das kann ich gar nicht" - dieser Ausspruch ist mit ungleich höherer Wahrscheinlichkeit von einer Frau zu hören als von einem Mann. Kaum ein psychologisches Konzept zum Thema Mann-Frau-Unterschiede lässt sich so stabil nachweisen: Männer überschätzen, Frauen unterschätzen ihre Fähigkeiten. Höfliches Understatement wäre an sich ja noch kein so großes Problem, allerdings schlägt sich geringeres Selbstvertrauen auch auf die tatsächliche Leistung nieder. Frauen schneiden schlechter in Wissens- oder Konzentrationstests ab - nicht weil sie tatsächlich weniger wissen oder sich schlechter konzentrieren können, sondern weil sie einzelne Aufgaben auslassen oder abbrechen in dem Glauben, sie würden eh versagen.

Nichts ist so essenziell für beruflichen Erfolg wie Selbstvertrauen - darüber haben die US-Journalistinnen Claire Shipman und Katty Kay ein ganzes Buch namens "The Confidence Gap" geschrieben. Schließlich nützt alles Wissen, alle fachliche Kompetenz herzlich wenig, wenn man sich keine Aufgaben zutraut, in denen man diese auch zeigen kann. Frauen bewerben sich erst auf eine höhere Position, wenn sie zu 100 Prozent die Anforderungen erfüllen, Männern reichen 60 - das hat eine Auswertung von internen Bewerberdaten bei Hewlett Packard ergeben.

2. Sympathie-Effekt, Rollen-Klischees und Geschlechterrollen

Menschen bewegen sich in gleichen Kreisen. Sie mögen Menschen, die ihnen ähnlich sind. Das beruhigt und gibt Sicherheit. Dieser sogenannte Sympathie-Effekt erstreckt sich neben Herkunft und Hautfarbe auch auf Lieblings-Fußballvereine und das Geschlecht. In Unternehmen sitzen nach wie vor überwiegend Männer in den Chefsesseln. Männer stellen eher Männer ein oder befördern diese.

Schon Ende der 70er-Jahre hat die US-Soziologin Rosabeth Moss Kanter die These aufgestellt, dass einzelne Frauen in Führungspositionen allein aufgrund ihres Minderheitendaseins mit Schwierigkeiten umgehen müssen. Sie stehen stärker im Fokus, was zu höherem Leistungsdruck führt. Sie sind isolierter: Die Männer auf gleichem Führungslevel lehnen sie tendenziell ab. Aber auch bei den anderen Frauen im Unternehmen gehören sie nicht mehr dazu. Zudem werden „Quoten-Chefinnen“ wegen ihres Exoten-Status besonders stark in Rollen-Klischees gedrückt. Es spricht einiges dafür, dass sich daran auch knapp 40 Jahre später nicht allzu viel geändert hat.

Aufgrund der Geschlechterrollen (s.u.) wird Frauen

  • häufig weniger Kompetenz zugetraut als Männern,
  • Durchsetzungsfähigkeit als Zickigkeit ausgelegt und
  • bei einer Forderung nach gleicher Bezahlung, Anmaßung unterstellt, Männern demgegenüber Selbstbewusstsein.

Phänomen Geschlechterrollen

Die evolutionsbiologischen, kulturell-soziologischen und psychologischen Wissenschaften geben verschiedene Erklärungsmodelle und Verstehens-Ansätze. Von besonderer Bedeutung scheinen die nach wie vor unterschiedlichen und hartnäckigen Standards zu sein, an denen Männer und Frauen (oft unbewusst) gemessen werden: Das Phänomen der Geschlechterrollen. Was macht eine „typische Frau“ aus, was einen „typischen Mann“? Ergreift ein Mann häufig das Wort und macht klare Ansagen, wird das als kompetent und souverän wahrgenommen, verhält sich eine Frau genauso, wird sie als dominant und vorlaut eingeschätzt. Und zwar sowohl von Männern als auch von anderen Frauen.

Frauen in Deutschland sind ähnlich sozialisiert. Von ihnen wurde als Mädchen erwartet, dass sie lieb sind, leise, sich um andere kümmern, Verständnis haben und Verantwortung übernehmen. Daher ist für viele Frauen der Weg lang und mühsam, bis das (über-)lebensnotwendige Gefühl von Wut erkannt, akzeptiert, ausgedrückt und verwandelt werden kann. Wer Grenzen setzen will, muss in der Grundenergie von „Nein“ sein. Auch jüngere Frauen um die dreißig machen vergleichbare Erfahrungen rund um die Aspekte

  • des inneren Antreibers „Mach es allen recht!“ oder „Sei perfekt!“,
  • eines schlechten Gewissens,
  • eines Erschöpft-Seins, was aber im Alltag nicht spürbar wird, sondern erst bei „längeren Auszeiten“ wie einem Bildungsurlaub,
  • eines übersteigerten Maßes an Selbstzweifeln,
  • des nicht Trauens der eigenen Wahrnehmung und der eigenen Gefühle und
  • von vielen Missverständnissen im Kleinen durch männlich geprägte Kommunikations- und Interaktionsstrukturen

Welche Anliegen sind für Frauen im Rahmen von Weiterbildungen relevant?

Viele Frauen sehen sich immer wieder mit der Herausforderung konfrontiert, wie es gelingen kann, klar und eindeutig zu kommunizieren, Grenzen zu setzen, sich kompetent und dabei „gut“ zu fühlen und sich damit eigenverantwortlich für die eigenen Interessen einzusetzen, ohne auf der absolut notwendigen Beziehungsebene an Punkten zu verlieren.

Daher lassen sich folgende Inhalte/Ziele für die grundsätzliche Seminararbeit beschreiben:

  • souveräner, authentischer, professioneller und entspannter durch den Berufsalltag kommen,
  • die Ursachen eines schnell entstehenden „schlechten Gewissens“ verstehen, um in der Folge andere Entscheidungen treffen zu können bzw. sich mit getroffenen Entscheidungen wohl(er) zu fühlen,
  • sich der eigenen beruflichen Identität und Persönlichkeit bewusster werden,
  • die Wirkung auf andere kennen und die eigenen Authentizität untermauern,
  • gewünschte Ziele erreichen, steuern und nicht gelenkt werden bzw. lassen
  • Nein-Sagen und das Gefühl, Erwartungen nicht zu erfüllen, aushalten lernen
  • spontan auf Unerwartetes reagieren und Ansichten besser nach außen vertreten können,
  • durch eine effektive Sprechweise sicherer und selbstbewusster wahrgenommen werden und
  • sich nicht so schnell persönlich angegriffen fühlen und Selbstvertrauen stärken.

Was erwarten Frauen von beruflichen Weiterbildungsangeboten?

Diese Frage lässt sich selbstverständlich nicht allgemeingültig beantworten. Eine konkrete Antwort aber wagt Britta Pütz, Trainerin beim LIW und Entwicklerin von frauenspezifischen Seminarangeboten:

„Auf dem (beruflichen) Weg gibt es frauenspezifische Herausforderungen, die ich als Frau authentisch nachempfinden kann. Das LIW ermöglicht einen Rahmen, in dem ich als Trainerin die daraus resultierenden Konsequenzen für eine zielgruppengerichete lebendige Seminararbeit umsetzen kann. Wir machen uns bewusst kein Bild von „der Frau im Allgemeinen“. Aber wir erhalten uns die Neugier und das Interesse auf und für das, was jede Einzelne hier und jetzt für sich als Bedürfnis definiert. Und als Grenze. Denn das beständige Eintreten für persönlich empfundene Grenzen und dadurch entstehende wahrhaftige (Er-)Öffnungen ist es, was nachhaltige und Spaß machende Weiterentwicklung mit und für Frauen ausmacht.“

Seminare für Frauen im LIW