Mein Garten summt – Vielfalt vor der Haustüre

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Wer die Diskussionen über Artenschutz in letzter Zeit verfolgt hat, weiß um die Rolle von Landwirtschaft und Verstädterung. Ohne Frage ist hier politisches Handeln gefragt. Doch wer einen Garten hat, kann auch selbst etwas für die Insekten- und Artenvielfalt tun. Und das zeigt mehr Wirkung, als es zunächst den Anschein hat.

Ausgangslage

Was wir bis vor ein paar Jahren oftmals „einfach nur“ wahrgenommen haben, dass immer weniger Schmetterlinge oder andere Insekten zu sehen sind, wurde 2017 durch die Veröffentlichung der sogenannten „Krefelder Studie“ des Entomologischen Vereines Krefeld zur Gewissheit: die Biomasse fliegender Insekten ist in den letzten knapp 30 Jahren alleine bei uns in Deutschland dramatisch zurückgegangen. Die Gründe hierfür sind sehr vielfältig.

Landwirtschaft und Verstädterung

Durch die Intensivierung und Rationalisierung der Landwirtschaft sind Kleinstrukturen und viele wichtige Lebensräume für Tiere verloren gegangen. Auch der Einsatz von Insektiziden und Herbiziden über Jahrzehnte hat sich direkt und indirekt negativ auf die Insektenwelt ausgewirkt. Zudem verändert sich durch hohe Stickstoffbelastung aus der Luft die Zusammensetzung unserer Pflanzenwelt.

Fast die Hälfte der Farn- und Blütenpflanzen, die in Deutschland in der Roten Liste aufgeführt sind, sind durch Nährstoffeinträge gefährdet. Und dies beeinflusst zwangsläufig auch Populationen blütenbesuchender Insekten.

Die weitere Verstädterung sorgt mit Lichtverschmutzung und massiven Bautätigkeiten für einen Rückgang von Insekten: Allein durch die Lichter einer Stadt kommen etwa 33 % der Insekten an Lampen zu Tode oder werden geschädigt.

Pflegeleichte Gärten

Auch Gärten haben sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. So wurden aus bunten Bauern- und Gemüsegärten immer mehr grüne, sterile Restflächen. Und in der ständigen Sorge, ein Garten könnte Arbeit machen, werden diese in vermeintlich pflegeleichte Schotter- oder Steinwüsten mit ein wenig Alibigrün umgewandelt. Dass dort Tiere keinen Lebensraum mehr finden, ist offensichtlich.

Der Insekten-Garten – eine Win-win-Situation

Aber es geht auch anders, und ein insektenfreundlicher Garten ist die Antwort. Denn hier können wir uns ausruhen, hier dürfen wir weniger machen, hier müssen wir Wildheit zulassen. Er erfordert von uns zunächst ein Umdenken und etwas Mut. Belohnt werden wir dafür aber mit einem Natur-Erlebnis-Garten, in dem es nicht nur üppig blüht, sondern wo viele unterschiedlichste Tiere zu beobachten sind: von Insekten, über Amphibien bis zu Eidechsen, Vögel oder Igel.

An lauen Sommerabenden lauschen wir dem Gezirpe der Heuschrecken, welche in naturnahen Wiesen leben. Neben Entspannung bietet uns dieser Insekten-Garten aber auch Nutzen und Genuss in Form von Früchten oder duftenden Kräutern. Denkt man dabei an einen schönen Apfelbaum, wird der Zusammenhang klar: im Frühling blüht dieser üppig, das freut uns, aber auch die Bienen, welche an den Blüten Pollen und Nektar holen. Fast beiläufig werden diese bestäubt, und wenn nun das Wetter noch mitspielt, gibt es im Herbst eine gute Apfelernte. Zu den absoluten Bienenmagneten zählen auch Küchenkräuter wie Thymian, Salbei, Majoran oder Melisse. Im Nutzgarten zeigt sich der enge Zusammenhang zwischen bestäubenden Insekten und Pflanzen; sie bedingen einander.

Naturnaher Garten – weit mehr als grünes Alibi

Ein naturnah und tierfreundlich gestalteter Garten, beruhigt dieser nur unser „grünes“ Gewissen oder bringt er auch etwas? Ja, es nützt etwas! Dies zeigen diverse Untersuchungen, wie die von der Bodensee-Stiftung. Dafür wurde auf einer neu und naturnah angelegten Blühfläche mit heimischen Pflanzen ein Wildbienen-Monitoring durchgeführt. Im Jahr 2010 zählte man hier 56, davon fünf gefährdete Wildbienen-Arten, sieben Jahre später schon 117 und eine Verfünffachung der sehr seltenen.

Zudem übernehmen Natur-Gärten wichtige Trittbrettfunktionen zwischen Biotopen oder landschaftlich wertvolleren Bereichen. Denn besonders für Insekten ist diese Vernetzung sehr wichtig, da viele nur einen recht kleinen Bewegungsradius haben. So liegt beispielsweise bei Wildbienen die Flugdistanz je nach Art zwischen 50 m und 300 m, nur größere können bis zu 1.500 m fliegen.

Wildbienen – spezialisierte Einzelgänger

Im Gegensatz zur Honig-Biene, welche ein Schwarmtier ist, ohne einen Imker nicht überleben kann und sehr effizient Blüten besucht, leben Wildbienen meist als Einzelgänger und je nach Art lediglich drei bis sechs Wochen. Deshalb verwundert es nicht, dass man manche nur in gewissen Monaten zu Gesicht bekommt.

Zudem sind Wildbienen stark an einen bestimmten Lebensraum und heimische Wildpflanzen gebunden, was das Beispiel der Glockenblumen-Sägehornbiene gut veranschaulicht. Diese Biene sammelt nur Pollen dieser einen Pflanzenfamilie. Zudem nutzen vor allem die Männchen die Blütenkelche als Schlafplätze. Gibt es keine Glockenblumen, so hat diese Wildbiene keine Überlebenschance.

Schmetterlinge – auf das Futter kommt es an

Wer kennt nicht den beliebten Sommerflieder (Buddleia davidii), an dem man Schmetterlinge gut beobachten kann. Oder den Roten Sonnenhut (Echinacea purpurea). Auch auf seiner Blüte wird man mit ziemlicher Sicherheit den einen oder anderen Falter sehen, welcher mit seinem langen Rüssel den Nektar aus den Blüten saugt. Und dabei ist es für Schmetterlinge nicht entscheidend, ob der süße Saft von einer heimischen oder fremdländischen Blühpflanze stammt. Solche Nektarpflanzen finden sich in fast jedem Garten.

Um allerdings Falter tatsächlich zu fördern, muss man ihre Raupen betrachten. Denn diese sind fast immer auf bestimmte Wild-Gewächse als Futter spezialisiert, und diese Pflanzen sind meist nicht besonders beliebt im Garten. Hierzu gehört die Brennnessel, welche eine der wichtigsten Futterpflanzen darstellt – die Raupen von immerhin 22 Schmetterlingsarten fressen an deren Blättern. Um auch weiterhin diese wunderschönen Flatterer beobachten zu können, müssen wir ihre Raupen unterstützen und damit „wilde Ecken“ zulassen.

Lebensräume und Biotop-Strukturen schaffen

Grundsätzlich kann man sagen: je vielfältiger ein Garten ist, desto besser. Dies beginnt zunächst bei Strukturen und Lebensräumen. So unterschiedlich Insekten sind, so unterschiedlich müssen auch ihre Lebensräume sein.

Viele Käfer und deren Larven leben in morschem, abgestorbenem Holz. Manche bevorzugen dafür sonnige Plätze, andere wiederum eher den Schatten. Also im Garten in verschiedenen Bereichen Tot- und Morschholzstrukturen anlegen, wie einen dicken Ast zwischen einer Schattenstauden-Pflanzung arrangieren.

Die meisten Wildbienenarten wiederum fördern wir, indem Gartenboden frei von Vegetation gehalten wird, wir sonnig-sandige Flächen bewusst anlegen oder Kübel mit einem geeigneten Nistsubstrat im Garten platzieren. Denn über die Hälfte aller Wildbienen nisten im Erdboden. Auch Trockenmauern oder Lesesteinhaufen können wichtige Habitate für Insekten wie Blattschneiderbienen sein. Lediglich knapp 20 % unserer heimischen Wildbienen besiedeln Röhren, welche in „Wildbienenhotels“ waagerecht integriert sind. Einige Spezialisten verwenden zum Nisten markige, ausschließlich senkrechte Stängel, wie der einer etwas eingekürzten Königkerze.

Inwieweit man Wasserflächen in einen Garten integriert, ist Ansichtssache. Allerdings etwas sollte immer vorhanden sein: eine Trinkstelle für Bienen, auch diese haben Durst. Dies kann eine flache Schale sein, in die man einfach ein paar Steine als Lande- und Ausruhplatz legt.

Bunte Bandbreite an (Wild-)Pflanzen

Um blütenbesuchende Insekten zu fördern, müssen wir ihnen vielfältigste Blütenpflanzen mit einem langen Blühangebot anbieten. Aber es müssen die richtigen sein.

  • Ungefüllte Blüten
  • Heimische Blühpflanzen
  • Langes Blühangebot

Im Ziergartenbereich immer ungefüllte Blütenpflanzen verwenden. Lange Zeit waren dicht gefüllte Blumen wie von Strauchrosen der Verkaufsrenner. Dabei wurden die Staubbeutel der Blüten züchterisch in Blütenblätter gewandelt. Folglich haben stark gefüllte Blüten auch keinen Pollen. Dieser ist allerdings lebenswichtig, da er wegen seines hohen Eiweißgehaltes die Grundnahrung für Bienenlarven darstellt.

Je mehr heimische Gewächse man im Garten hat, desto besser ist es. Denn unsere Tierwelt hat sich koevolutiv mit der Pflanzenwelt entwickelt; viele Insekten sind direkt und oftmals ausschließlich an nur eine bestimmte Pflanzengattung gebunden.

In einem vielfältigen und bunten Wildblumen Garten sollte vom zeitigen Frühjahr bis in den späten Herbst immer etwas blühen: das macht uns Freude, ist aber für Wildbienen existenziell. Dies beginnt mit frühblühenden Zwiebelpflanzen wie Winterlingen oder Krokussen. Hier immer darauf achten, dass es Wildformen sind. Nur dann nutzen sie auch Insekten. Später blühen viele Gehölze wie die Linde und der Sommer bringt im Staudenbeet, Gemüsegarten oder einer Wild-Wiese Blühangebote. Auch Blüten im Herbst sind für manch Wildbiene oder Schmetterling als späte Nektar-Nahrungsquelle wichtig.

Pflege im „Insekten-Garten“ – die Veränderung beginnt im Kopf

Pflanzen im Garten liefern Tieren nicht nur wichtige Nahrung, sie sind auch Lebens- und Nistraum. Deshalb bildet deren Pflege - oder besser „Nicht-Pflege“ – einen wichtigen Aspekt dafür, Insekten zu fördern. Das bedeutet: die trockenen Stängel von Stauden im Herbst als Überwinterungsplätze stehen lassen, denn in und an diesen können sich Larven oder Insekteneier befinden. Erst im Frühling sollten Sie diese zurückschneiden.

Lassen Sie die eine oder andere „wilde Ecke" und schaffen Sie zum Beispiel mit abgeschnittenen Zweigen oder Laubhaufen kleine Unterschlupfmöglichkeiten für Florfliegen, Wildbienen, Marienkäfer und Schwebfliegen. Auch ein abgestorbener Strauch oder Baum, sofern er nicht zur Gefahr werden könnte, darf bleiben: stehendes Totholz ist für viele Käferarten der Lebensraum schlechthin. Es wird klar: durch „Nichtstun“ fördern wir viele Insekten, somit ist ein insektenfreundlicher Garten auch ein pflegeleichter Garten. Weniger ist oftmals mehr!

Resümee: Vielfalt bringt Vielfalt

Die Handlungsmöglichkeiten von allen, die „irgendwie gärtnern“ und der Nutzen von naturnahen Gärten sind wesentlich größer als allgemein vermutet. Die Gestaltung folgt einfachen Prinzipien: Um eine möglichst weite Palette an Insekten im Garten zu fördern, müssen wir ihnen zunächst ein breites Nahrungsangebot bieten. Außerdem benötigen sie noch passende Lebensräume und Nistplätze, welche durch Biotopstrukturen erreicht werden können. Werden diese zwei „Säulen“ erfüllt und halten wir uns als „pflegende Instanz“ etwas zurück, können aus Gärten Ersatz-Biotope entstehen.

Autorin und Bild: Simone Kern, LIW-Seminardozentin, Landschaftsarchitektin und Sachbuchautorin. Sie lebt im Baden-Württembergischen Allgäu und setzt sich neben ihrer Tätigkeit als Planerin naturnaher Freiräume seit über 15 Jahren aktiv für den Insektenschutz ein.

Wer dieses Thema noch vertiefen möchte, dem seien die Bücher der Autorin empfohlen.

Folgende Seminare des LIW beschäftigen sich mit dem Thema