Weltsprache Portugiesisch – Von der Kolonialisierung zum kulturellen Austausch

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Wussten Sie, dass 216 Mio. Menschen auf der Welt Portugiesisch als Muttersprache haben? Damit stellt das Portugiesische die siebthäufigst gesprochene Sprache der Welt dar und wird von mehr als doppelt so vielen Menschen als Muttersprache gesprochen wie deutsch. Das Mutterland Portugal stellt mit ca. 10 Mio. Einwohnern dabei nur einen geringen Teil der portugiesischsprachigen Weltbevölkerung dar. Was verbindet die portugiesischsprachigen Menschen und Länder in der Welt? Wie sind sie vernetzt und warum? Wie gehen Sie mit gemeinsamer Geschichte um?

Portugiesisch verbreitete sich insbesondere im 15. und 16. Jahrhundert als Portugal sein Kolonialreich aufbaute. Dementsprechend befinden sich alle portugiesischsprachigen Länder entlang wichtiger See- und Handelsrouten. Kaum verwunderlich, dass es kein einziges Binnenland der Erde gibt, in dem portugiesisch gesprochen wird.

Heute ist Portugiesisch in 10 Ländern Amtssprache, darüber hinaus gibt es portugiesischsprachige Minderheiten in vielen weiteren Ländern. Übrigens auch in Europa: So sind beispielsweise 16% der Bürger Luxemburgs Portugiesen.

Der Ursprung: Das gemeinsame koloniale Erbe

Untereinander kannten und kennen sich die Länder oft wenig. Dreh- und Angelpunkt war die Kolonialmacht Portugal, die – nicht zuletzt durch die Kolonialkriege seit 1961 – tiefe Spuren in den Kolonien hinterlassen hat.

Während nach dem Zweiten Weltkrieg viele Kolonien unter englischer oder französischer Kolonialherrschaft ihre Unabhängigkeit erreichten, verweigerte sich Portugal und führte zwischen 1961 bis 1974 einen erbitterten Krieg gegen Angola, Mosambik und Portugiesisch-Guinea, der viele Tote auf allen Seiten mit sich brachte. Zeitweise gab Portugal über 50% seines Staatshaushalts für das Militär aus, um die kostenintensiven Kolonialkriege führen zu können.

Die Kolonien konnten ihre Unabhängigkeit in erster Linie durch den bewaffneten Befreiungskampf erreichen, der mit ein Grund für den Sturz des kolonial-faschistischen Regimes Portugals mit der Nelkenrevolution 1974 war.

Verbunden bleiben?

Schon kurz nach der Nelkenrevolution gab es in Portugal die Idee, die Kolonien von einer vollständigen Unabhängigkeit abzubringen. Ziel war eine über die verschiedenen Kontinente reichende Föderation lusophoner (=portugiesischsprachiger) Staaten. Dieses gelang jedoch nicht, so dass 1975 die ehemaligen Kolonien ihre Unabhängigkeit erreichen konnten.

Es sollte dann noch einmal fast zehn Jahre dauern, bis sich das Verhältnis zwischen Portugal und seinen ehemaligen Kolonien verbesserte und Vorschläge einer Zusammenarbeit innerhalb der portugiesischsprachigen Länder erneut diskutiert wurden.

Ein Beginn: Die portugiesische Sprache fördern und verbreiten

Einen ersten Impuls zur Gründung eines Zusammenschlusses kam 1983 vom damaligen portugiesischen Außenminister, dieser wurde 1989 vom damaligen brasilianischen Botschafter weiter verfolgt. Man verständigte sich zunächst, ein Institut zu gründen, das die gemeinsame Sprache der Gemeinschaft fördern und verbreiteten sollte: das Instituto Internacional da Língua Portuguesa (IILP) mit Sitz in Kap Verde war geboren.

Da Portugiesisch als Amtssprache in den ehemaligen Kolonien nicht zwangsläufig Muttersprache ist, war die Förderung und Verbreitung nicht nur ein naheliegendes, sondern insbesondere gemeinschaftsförderndes Projekt. In der Folge erleichtert Portugal den Bewohnern der portugiesischsprachigen Länder den Zugang zum Sprachenlernen im Mutterland des Portugiesischen. Die Hürden für Einwanderung sind gering.

Angelehnt an den Begriff frankophon entsteht in den 1970er Jahren der Begriff Lusophonie, der auf die portugiesische Sprache als Bindeglied abzielt. Hinter Lusophonie steht kein politisches Konzept, sondern vielmehr eine kulturelle Idee. Nach dem Muster des britischen Commonwealth of Nations, wo aus dem Erbe der britischen Kolonialzeit ein kulturelles Konstrukt entwickelt wurde, entstanden mit der Lusophonie eine Reihe zwischenstaatlicher und nichtstaatlicher Organisationen.

Die afrikanische Achse des Portugiesischen: Países Africanos de Língua Oficial Portuguesa (PALOP)

Bereits zu Zeiten der Kolonialzeit begann der Zusammenschluss portugiesischsprachiger afrikanischer Staaten. Ziel war zunächst die Koordination des nationalen Befreiungskampfes in den portugiesischen Kolonien Afrikas. Nach dem Ende des Kolonialregimes benennt sich diese Gruppe aus zunächst fünf Staaten 1979 in PALOP um und führt bis 1992 zehn Gipfeltreffen durch. Nach einer neunjährigen Pause, in die die Gründung der CPLP fällt, folgt 2001 die Wiederaufnahme der konzertierten Aktivität der PALOP-Staaten. Es wurden offizielle Verträge mit Portugal, der Europäischen Union und den Vereinten Nationen geschlossen.

Heutzutage stehen kulturelle Ziele im Vordergrund, wie die Verbreitung und die Bewahrung der portugiesischen Sprache. Nicht zuletzt durch die Zusammenarbeit mit der Europäischen Union entstanden Projekte die im weitesten Sinne zu einer Demokratisierung beitragen sollen. Unterstützt werden Bestrebungen zur verantwortungsvollen Staatsführung, einschließlich der Wirtschaftsführung, der öffentlichen Dienstleistungen, der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte. Der Aufbau einer gemeinsamen Rechtsdatenbank der PALOP-Länder sorgt zudem dafür, dass vielfältige Grundlagen für eine wirtschaftliche und rechtliche Zusammenarbeit gelegt werden.

Gemeinschaft der portugiesischsprachigen Länder (CPLP)

Zum Teil deckungsgleich mit den Mitgliedern der PALOP ist 1996 die Gemeinschaft der portugiesischsprachigen Länder ins Leben gerufen worden. Sie bildet das wichtigste Forum für die kulturelle und wirtschaftliche Zusammenarbeit der Länder mit Portugiesisch als Amtssprache. Neben Portugal gründeten zunächst sechs weitere Länder – Angola, Brasilien, Guinea-Bissau, Kap Verde, Mosambik sowie São Tomé und Príncipe – ein Forum für „Freundschaft und Zusammenarbeit“. 2002 trat Osttimor der Gemeinschaft bei und 2014 Äquatorialguinea. Die CPLP versucht, vielleicht stärker noch als die PALOP in Afrika, eine gemeinsame Stimme in der internationalen Politik zu organisieren. Denn bis zur Gründung der Gemeinschaft der portugiesischsprachigen Länder gab es weder gemeinsame politische Organe – wie beispielsweise bei der Europäischen Union – noch gemeinschaftliche Wirtschaftsräume der ehemaligen portugiesischen Kolonien.

Aus der Gemeinsamkeit der Sprache und dem kolonialen Erbe sollte nun eine Gemeinschaft mit einer gemeinsamen Vision von Entwicklung und Demokratie werden. Mit dieser Leitidee hat die CPLP beispielsweise Guinea-Bissau sowie São Tomé und Príncipe in Krisen geholfen und bei politischen und wirtschaftlichen Reformen unterstützt. Politisch aufgewertet wird der Zusammenschluss der portugiesischsprachigen Länder dadurch, dass offiziell Botschafter entsandt werden. Brasilien, Guinea-Bissau und Portugal haben am Sitz der CPLP in Lissabon bereits eigene Botschafter, Osttimor hat eine Entsendung angekündigt.

Die politische Dimension zeigt sich auch im Anspruch, im globalen politisch-diplomatischen Dialog mit einer Stimme die gemeinsamen Interessen gegenüber Organisationen wie der UNO oder der WHO zum Ausdruck bringen zu wollen.

Seit 2012 ist das Ziel, die geschäftlichen Beziehungen zwischen CPLP-Ländern zu erleichtern und auszuweiten. Neben dem Handel schauen die Länder insbesondere auf Bereiche, in denen sie gemeinsame Interessen haben: neue Technologien, Digitalstrategien, Entwicklungen im ländlichen Raum, Ökologie, Energiewirtschaft oder Tourismus.

Kritiker wenden jedoch ein, dass Zusammenschlüsse wie die CPLP oder auch die PALOP den Einfluss der europäischen Länder ausbauen und zur Rekolonialisierung Afrikas beitragen. Hinzu kommt, dass die Interessen der Mitglieder sehr unterschiedlich sind und die Perspektive eines kohärenten Staatenbündnisses insgesamt sehr hybrid erscheint. Mehr Informationen

Ein positiver Ausblick: Von der Kolonialisierung zum kulturellen Austausch

Segensreich für die über alle Kontinente verstreuten Länder ist das Internet, das mit seinen vielfältigen Portalen einen Austausch auf virtueller Ebene befördert. Beispielhaft dafür ist das Portal da Lusofonia, das zum Beispiel Zugriff auf Patent-, Geschmacksmuster- oder Markendatenbanken, Austausch über Kooperationsanfragen in portugiesischsprachigen Ländern bietet.

So ist aus einer kolonialen Vergangenheit und dem Bindeglied der portugiesischen Sprache über ein halbes Jahrhundert ein vielfältiges Netzwerk von Ländern gewachsen, die sich gegenseitig unterstützen und innerhalb der großen politischen Netze eigene Akzente setzen können. Es ist ein Beispiel, wie auch nach einer schmerzhaften Vergangenheit Wunden verheilen und positive Entwicklungen entstehen können.

Wir danken für die fachliche Beratung von Hans-Peter Heilmair, Dozent des LIW für Kap Verde.

Bildquelle: CPLP

Das LIW bietet Seminare in mehreren portugiesischsprachigen Ländern an